Flucht und Vertreibung

Lang abgespaltene Traumata wirken immer noch

In Deutschland nimmt die Fremdenfeindlichkeit rasant an Intensität zu. Dabei erleben wir ein massives Auftauchen von Unsicherheit, Ängsten und Hass. Was steckt dahinter? Was kann man machen? Ein psychologischer Erklärungsversuch.

In den letzten Monaten wurden wir von den Nachrichten mit Mitteilungen, Meinungen und Bildern über die Flüchtlingswelle überschwemmt. Bestimmten Seiten transportieren ein Bild, das sich Deutschland mit den vielen Fremden Menschen schon bald im Chaos verlöre. Das lässt immer mehr diffuse Ängste hochkommen. Lange waren sie verborgen. Sie werden gespeist aus dem kollektiven Unbewussten, wo der Schrecken aus vergangen Zeiten gespeichert ist. Nur wenige haben heute einen Zweifel daran, dass wir die traumatischen Erlebnisse aus der Vergangenheit schon lange hinter uns gelassen haben. Doch es hilft nichts, wir müssen zurückschauen, gerade wenn sich alte Seelen-Wunden und deren auslösenden Emotionen wieder öffnen.

Leid durch Krieg
Zum Ende des zweiten Weltkriegs kamen etwa 14 Millionen Menschen als Flüchtlinge aus den Ostgebieten. Unterwegs waren davon etwa zwei Millionen Menschen umgekommen. In langen Flüchtlingstrecks gekommen, nicht einmal das Allernötigste dabei, mussten sie in einem teilweise stark zerbombten Land, das eine wenig funktionierende Infrastruktur aufwies, irgendwie Zuflucht finden. Die Geflohenen waren stark traumatisierte Menschen, physisch wie psychisch am Ende ihrer Kräfte: überforderte Mütter und deren Kinder, viele davon Halbwaisen, sowie ältere Menschen. Sie alle brauchten einen Platz zum Leben.
In jenen Monaten und Jahren stand das nackte Überleben im Vordergrund. Die Flüchtlinge und die heimische Bevölkerung fanden sich häufig in äußerst gespannten Situationen des erzwungenen Zusammenlebens wieder. Die Nerven lagen dabei oft blank, auf beiden Seiten. Mit Verachtung, oft bis zum offenen Hass sahen sich viele Flüchtlinge tagtäglich konfrontiert. Viele standen unter großer Anspannung, hatten große Ängste und gleichzeitig eine große Wut auf ihr Schicksal. Doch sie mussten ihre Gefühle verdrängen, abspalten.


Reaktivierung alter Traumata
Beim Wiederaufbau und in der Zeit des langsam aufkommenden Wirtschaftswunders gab es wenig Raum, um die erlittenen Traumata zu be- und verarbeiten. Anpacken war gefragt, um endlich wieder ein „normales“ Leben aufzubauen.
Heute ist Deutschland ein blühendes Land, zumindest von außen betrachtet. Obwohl wir im Überfluss leben – alleine 50 % der Lebensmittel werden weggeworfen - werden im Zusammenhang mit dem Hereinströmen der vielen Fremden die seit über sieben Jahrzehnten verdrängten Gefühle wie Verunsicherung, Angst und Hass wieder reaktiviert.
Leider besteht bis heute kaum ein Bewusstsein darüber, dass wir immer noch emotional mit den Ursprungstraumata der vor gut 71 Jahren Geflüchteten und der sie aufnehmenden Menschen eng verbunden sind. Die damals abgespaltenen Gefühle der Ahnen werden oft im Familiensystem weiter gegeben, ohne dass dies bewusst wird.

Leidvolles transgenerationales Erbe beenden
Das Phänomen der transgenerationalen Weitergabe von Traumata ist in der Psychologie schon lange bekannt. Wie schwere seelische Erschütterungen tatsächlich „vererbt“ werden, ist der wissenschaftlichen Forschung noch nicht ganz klar. Glücklicherweise wird in der psychologischen Praxis diese Thematik schon länger erfolgreich bearbeitet und behandelt. Dabei zeigt sich die vererbte Angst heute durch Panikattacken, Phobien, Zwangshandlungen (Kontroll-Ängste) und auch durch unerklärlichen Verzicht auf Lebensglück, auf Partnerschaft und Familie (siehe die vielen Single-Haushalte). Ein sinnvoller Weg ist es jetzt, sich mit psychologischer Unterstützung aus der Umklammerung alter Traumata zu befreien.
Dafür gibt es hocheffiziente Möglichkeiten die über Generationen unbewusst weiter gereichten Verstrickungen zu bearbeiten, wie z.B. durch systemische Aufstellungsarbeit oder mit energetischer Psychotherapie.

Die Bearbeitung in einer Psychotherapie wirkt dabei gleichzeitig auf drei Zeitebenen: sie heilt unmittelbar die Gegenwart (die eigene Seele und Person), bezieht sich gleichzeitig auf die Vergangenheit (die Ahnen) und die Zukunft (die nachfolgende Generation).
Bald ein dreiviertel Jahrhundert nach dem Zweiten Weltkrieg ist die Zeit gekommen, sich mutig vom Wirken der grauen Kriegs-Gespenster zu befreien. So wird Stück für Stück ein neues kollektives Fundament hergestellt, das die Menschen dieser Welt zukünftig durch mehr Mitgefühl und friedvolle Koexistenz zusammenhält.