Gedanken im Oktober 2015

Selektive Wahrnehmung

Eine wahre Geschichte:
In einer Metro-Station in Washington DC stand einer der berühmtesten Violinisten der Welt, Joshua Bell, in einfacher Kleidung und Baseball-Cap und spielte auf seiner 3,5 Millionen-Dollar-Geige 45 Minuten lang die gleichen sechs Bach-Stücke wie zwei Tage zuvor im ausverkauften Bostoner Theater (durchschnittlicher Preis für einen Sitzplatz etwa 100 Dollar).

Nur sechs von etwa tausend Menschen stoppten ihren schnellen Gang in der morgendlichen Rush Hour, um kurz zuzuhören, 20 Menschen gaben ihm Geld, so dass er etwas über 32 Dollar sammeln konnte. Niemand nahm Notiz davon, als er sein virtuoses Spiel auf der sündhaft teuren Violine beendete.
Das ganze wurde organisiert von der Washington Post und war Teil eines sozialen Experiments über Wahrnehmung, Geschmack und Prioritäten von Menschen.

Das Experiment lies folgende Fragen auftauchen:

  • In einer alltäglichen Umgebung, zu einer ungünstigen Stunde: können wir da empfänglich für Schönheit sein?
  • Wenn es so ist, halten wir an, um es zu würdigen?
  • Können wir Talent in einem unerwarteten Kontext erkennen?

Ein möglicher Rückschluss aus diesem Experiment könnte sein:
Wenn wir nicht einmal einen Moment übrig haben, um anzuhalten, um einem großen Musiker der Welt zuzuhören, während er eine der schönsten Musiken, die je geschrieben wurde, mit einem der schönsten Instrumente, die je gebaut wurden, spielt…
Wie viel andere (schönen) Dinge verpassen wir, wenn wir durch das Leben hasten?

Genießen wir das Leben JETZT – wann sonst?!

Einen Oktober in Achtsamkeit wünscht
Ulrich Martitz